Bewerber Lino lehnt Top-Job ab – wegen seinem Hund

Nicht ohne meinen Hund: Das sagt sich Content Creator Lino Haltinner. Er tritt Jobs nur mit Vierbeinerin Lina an. Solche Forderungen kommen immer mehr auf.

Das Wichtigste in Kürze
- Studien zeigen: Gut erzogene Hunde können Stress reduzieren und das Arbeitsklima fördern.
- Doch oftmals sind sie am Arbeitsplatz nicht zugelassen. Wegen Hygiene oder Ablenkung.
- Der Aargauer Lino Haltinner hält dagegen und findet: «Sie sind die besten Workbuddys.»
«Absolutes Luxusjobangebot abgelehnt ...», schreibt der Schweizer Content Creator Lino Haltinner auf dem Job-Netzwerk Linkedin.
Wieso denn das? Nicht etwa wegen eines noch besseren Angebots, sondern wegen seines «besten Workbuddys», seinem Hund Lina.
Der Match habe sich erledigt, wenn er Lina nicht mit ins Büro nehmen dürfe, stellt er klar. Denn: «Sie bringt mehr Motivation und Loyalität mit als die halbe, sich selbst Gen-Z-Agenturen nennende, möchtegern flache Hierarchie-Belegschaft dieser 0815 Marketing-Agenturen», so Haltinner.
Gegenüber Nau.ch führt der Selbstständige aus dem Aargau die Gründe genauer aus. «Ich lebe alleine und möchte meinen Hund nicht vier bis acht Stunden täglich alleine zu Hause lassen oder für diese Zeit einen Hundesitter engagieren.»
Eine Hundepension komme für ihn ebenfalls nicht infrage, da dies schnell 70 bis 100 Franken pro Tag kosten könne. Doch noch wichtiger: «Abgesehen von den Kosten ist mein Hund mein Begleiter, der die Stimmung hebt, mich mit seiner Tollpatschigkeit zum Lachen bringt oder durch seine wilden zwei Minuten Freude verbreitet.»
Er gehöre einfach zu ihm – deshalb verzichte er dafür sogar auf einen gut bezahlten Job. In diesem Fall «eine leitende Position als Content Creator in einer grossen Marketing-Agentur mit einem sehr guten Lohn.»
Damit ist er nicht der einzige: «Ich habe bereits Jobangebote abgelehnt, weil mir sonst nicht mehr genügend Zeit für meine Katzen geblieben wäre», kommentiert eine angehende Marketingmanagerin unter seinem Post.
Eine Kitaleiterin schreibt: «Auch Hund Mo ist immer im Büro dabei. Meist wärmt er mir die Füsse.»
«Haben wir noch nie gehört»
Tatsächlich wirkt sich die Anwesenheit von Tieren – insbesondere von Hunden – stressreduzierend aus oder kann die Motivation am Arbeitsplatz positiv beeinflussen. Dies erklärt Laure Fasel vom Verband Angestellte Schweiz auf Anfrage.
Hunde können auch als soziale Katalysatoren fungieren, welche die Interaktion zwischen Kollegen erleichtern und die Teambindung stärken.
Doch deswegen gleich den Traumjob ablehnen? «Wir haben noch nie gehört, dass dies alleine ein Grund wäre, eine Stelle abzulehnen, wenn die anderen Bedingungen passen», so Fasel.

Doch tatsächlich hat sich bei der Frage nach dem Haustier am Arbeitsplatz in den vergangenen Jahren etwas getan. «Seit einigen Jahren verändern sich die Erwartungen der Arbeitnehmenden, insbesondere mit dem Eintritt der Generation Z in die Arbeitswelt», erklärt sie.
Arbeitsplätze, die eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Freizeit ermöglichen, seien zunehmend gefragt. Parallel dazu habe sich auch die Rolle von Haustieren verändert: Früher waren sie reine Nutztiere, heute gelten sie als vollwertige Familienmitglieder.
«Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Frage, ob man seinen Hund mit an den Arbeitsplatz bringen darf oder nicht, stärker ins Zentrum rückt als früher – auch wenn dies keineswegs die Norm darstellt», so Laure Fasel von Angestellte Schweiz.
Das sagen Swisscom, Post, Axa, Raiffeisen & Co.
Viele der von Nau.ch angefragten Firmen erklären, dass Hunde am Arbeitsplatz bei ihnen nicht erlaubt sind. So etwa bei der Swisscom, bei Raiffeisen, bei der AXA oder auch bei Coop.
Erlaubt sind teilweise aber ausgebildete Begleithunde wie Blindenhunde, so etwa bei der Swisscom und bei der Post. Die Post schreibt: «Handelt es sich nicht um Begleithunde, so wird situativ gemeinsam mit dem Vorgesetzten und dem Team entschieden.»
Weshalb sich ein Unternehmen gegen Hunde am Arbeitsplatz entscheidet, ist meist ähnlich begründet. So heisst es bei der AXA: «Gründe, die für uns gegen Haustiere im Büro sprechen, sind zum einen die Hygiene und zum anderen die Rücksichtnahme auf Mitarbeitende, die Angst vor Hunden haben oder allergisch reagieren.»
Post-Mediensprecher Stefan Dauner erklärt zudem, dass Hunde den Arbeitsablauf stören könnten. «Auch wenn Hunde gut erzogen sind, kann ihre Anwesenheit zu unvorhergesehenen Störungen führen – etwa durch Bellen, Spielen oder Bewegungen im Büro.»

Lino Haltinner findet es «erschreckend, wie wenige Firmen Hunde zulassen.» Auch er stellt fest: «Wer es tut, ist wirklich die Ausnahme.»
Er verstehe Argumente wie Hundeallergien oder -ängste. «Aber es gibt Lösungen, wie etwa organisatorische Anpassungen oder separate Arbeitsbereiche.»
Generell sehe er in der Arbeitswelt einen Rückschritt: «Homeoffice wird zunehmend eingeschränkt oder abgeschafft, Sollzeiten werden strenger, und die Flexibilität nimmt ab – je nach Beruf natürlich.»
Arbeitgeber sollte es restriktiv regeln
Im schweizerischen Arbeitsrecht gibt es keine Bestimmung, welche die Mitnahme von Tieren explizit erlaubt oder untersagt oder sonst wie Haustiere am Arbeitsplatz regelt.
«Möglich sind aber diesbezügliche vertragliche oder reglementarische Regelungen, welche die Mitnahme von Haustieren an den Arbeitsplatz regeln», erklärt Rechtsanwalt Nicolas Facincani aus Zürich gegenüber Nau.ch.
Solche Regelungen seien in jedem Fall empfehlenswert, so der Arbeitsrecht-Experte. «Um einem Arbeitgebenden möglichst grosse Handlungsfreiheit zu gewähren, sollte das Mitnahmerecht restriktiv geregelt werden, dem Arbeitgebenden steht es dann frei, auf Anfrage eine liberalere Linie bzw. Bewilligungspraxis zu gewähren.»
In jedem Fall sei empfehlenswert, dass sich der Arbeitgebende das Recht vorbehält, bei (begründeten) Reklamationen von anderen Arbeitnehmenden oder Kunden die Mitnahme von Haustieren zu untersagen, so Nicolas Facincani.
Denn fühlt sich ein Mitarbeiter wegen eines Hundes unwohl am Arbeitsplatz, kann er sich wehren. «Hier ist der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht gefordert. Im Extremfall könnte der betroffene Mitarbeiter die Arbeit einstellen.»