Aargauer Gemeinde filmte 16 Jahre lang Schule – ohne Bewilligung

Stephan Felder
Stephan Felder

Brugg,

In Schinznach-Dorf wurden Schüler und Lehrpersonen jahrelang gefilmt – ohne rechtliche Grundlage. Nun griff die Datenschützerin hart durch.

Schulhaus
Das Schulhaus Dorf in Schinznach-Dorf AG wurde jahrelang illegal per Video überwacht. - schule-schinznach.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Vier Kameras filmten ein Schulhaus und den Spielplatz rund um die Uhr.
  • Die Gemeinde ignorierte Mahnungen und Verfügungen der Datenschützerin.
  • Am Ende liess der Kanton die Anlagen zwangsweise abbauen.

Über Jahre hinweg bemerkte kaum jemand etwas – doch jetzt ist klar: In einer Aargauer Gemeinde lief eine Videoüberwachung an einer Schule völlig ausserhalb des Gesetzes.

In Schinznach-Dorf wurden Eingänge des Schulhauses sowie der Spiel- und Pausenplatz gefilmt. Während 16 Jahren, ohne Bewilligung.

Insgesamt vier Kameras waren rund um die Uhr in Betrieb. Sie erfassten Lehrpersonen beim Betreten des Schulhauses ebenso wie Kinder beim Spielen auf dem Pausenplatz. Die «Aargauer Zeitung» berichtete zuerst.

Der Eingriff der Datenschützerin

Die Aargauer Beauftragte für Öffentlichkeit und Datenschutz, Katrin Gisler, schritt nach einer Kontrolle ein. Bereits im März 2024 wies sie die Gemeinde auf die fehlende Bewilligung hin.

Zwar reichte diese später ein Informations- und Datenschutzreglement ein, doch dieses genügte den gesetzlichen Anforderungen nicht. Unter anderem fehlte ein Situationsplan mit den genauen Standorten der Kameras.

Trotz mehrerer Nachforderungen, einer formellen Empfehlung und schliesslich einer anfechtbaren Verfügung reagierte die Gemeinde nicht. Sie hielt an ihrem Standpunkt fest und bezeichnete das Bewilligungsverfahren als «bürokratischen Akt».

Auch Kamera-Attrappen sind nicht zulässig

Schliesslich zog Gisler die Konsequenzen: Im Oktober liess sie die Kameras per Zwangsmassnahme abbauen. Auch zwei Kamera-Attrappen, die auf den Spielplatz gerichtet waren, mussten entfernt werden.

Solche Attrappen seien für staatliche Stellen unzulässig, da sie eine bewusste Täuschung darstellten, so die Datenschützerin.

Sollte der öffentliche Raum per Video besser überwacht werden?

Ein solcher Eingriff ist im Kanton Aargau bisher einmalig. Weder Gisler noch ihre Vorgängerin hätten je zuvor Kameras in einer Gemeinde demontieren lassen müssen.

Installiert worden waren die Anlagen ursprünglich nach mehreren Vandalenakten und einem Fassadenbrand in den Jahren 2008/09. Laut Gemeinde seien die Aufnahmen nur wenige Male gesichtet worden. Personen hätten dabei nicht eindeutig identifiziert werden können.

Aufnahmen sind vor Gericht nicht verwertbar

Brisant ist auch die rechtliche Folge: Videoaufnahmen aus einer illegalen Überwachung sind vor Gericht kaum verwertbar.

Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass die Bilder bei einem Vandalenfall aus dem Jahr 2023 nicht als Beweismittel verwendet wurden. Die mutmasslichen Täter wurden auf anderem Weg ermittelt.

Wie es nun weitergeht, ist offen. Die Gemeinde steht laut eigenen Angaben im Austausch mit dem Kanton. Klar ist jedoch: Die Kameras bleiben vorerst abgebaut.

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