Schweizer Behörden adressieren Brief nur an den Mann

Schaden geregelt, Frau ignoriert: Warum Briefe von Versicherung und Bank oft noch immer nur an den Mann gehen.

Das Wichtigste in Kürze
- Nach einem Fassadenschaden kontaktiert Familie S. die Gebäudeversicherung.
- Die Frau übernimmt die Kommunikation, der Bescheid geht jedoch an den Mann.
- Der Grund liegt offenbar in einem veralteten IT-System.
Familie S. wohnt in der Umgebung von Solothurn und besitzt ein Einfamilienhaus.
Nach einem kräftigen Sommergewitter entdeckt die Familie einen kleinen Schaden an der Fassade des Hauses. Dafür zuständig: Die Solothurner Gebäudeversicherung SGV.
Fiona S.* übernimmt die Kommunikation mit der Behörde. Sie telefoniert mit dem zuständigen Schadensinspektor, liefert Fotos und Details per E-Mail.
Frau organisiert, Mann erhält den Brief
Einige Wochen später folgt der Versicherungsbescheid – und sorgt für Ärger: Obwohl die gesamte Korrespondenz über Fiona S. lief, ist der Brief ausschliesslich an ihren Mann adressiert.
«Ich war ehrlich gesagt baff», sagt Fiona S. gegenüber Nau.ch. «Ich habe alles organisiert – und trotzdem wird mein Mann angeschrieben.»
Besonders stossend: Es ist nicht das erste Mal, dass Fiona S. eine solche Erfahrung macht. Das Ehepaar führt bei Postfinance ein gemeinsames Partnerkonto.
Während Kontoauszüge korrekt an beide Ehepartner adressiert sind, geht andere Korrespondenz offenbar nur an den Mann.
Ein Zufall? Oder steckt mehr dahinter?
Ursache: Ein veraltetes IT-System
Auf Anfrage von Nau.ch erklärt die Solothurner Gebäudeversicherung, dass es sich nicht um eine bewusste Entscheidung handle. Grund dafür sei ein älteres IT-System.
«Die SGV betreibt ein älteres IT-System, welches für die Postadresse nur eine Person vorsieht», teilt die Versicherung mit.
Zwar gebe es eine Übergangslösung, mit der Ehepartner gemeinsam adressiert werden könnten. Doch es könne im Zuge der laufenden IT-Umstellung zu Abweichungen kommen.
Die vollständige Umstellung aufs neue, moderne System soll im kommenden Jahr abgeschlossen sein.
Betroffene Kundinnen und Kunden bittet die SGV, sich direkt zu melden. «Für die möglicherweise betroffenen Ehepartner bedauern wir diese Situation», heisst es weiter.
Die Gebäudeversicherung stellt zudem klar: Nein, Briefe würden nicht grundsätzlich an den Mann adressiert. «Sollte dies anders kommuniziert worden sein, handelt es sich um einen Fehler, den wir bedauern. Und den wir gerne so rasch wie möglich korrigieren.»
Postfinance: «Grundsätzlich werden beide Personen adressiert»
Auch bei Postfinance will man von einer systematischen Bevorzugung des Mannes nichts wissen.
Auf Anfrage von Nau.ch schreibt das Finanzinstitut: «Bei Korrespondenzen zu Partnerkonten werden gemäss unserem Standardvorgehen grundsätzlich beide Personen aufgeführt bzw. adressiert.»
Ausnahmen gebe es lediglich bei personalisierten Sendungen, etwa bei Bankkarten. Diese würden jeweils an die entsprechende Karteninhaberin oder den Karteninhaber geschickt.

Zum konkreten Fall der Familie S. kann Postfinance nichts sagen: «Für eine konkrete Prüfung des Falls von Familie S. bräuchte es eine Entbindung vom Bankkundengeheimnis.»
Ob veraltete IT oder Einzelfall: Für Fiona S. hinterlässt die Situation einen schalen Beigeschmack.
«Es fühlt sich einfach falsch an», sagt sie. «Als wäre ich nur eine Randfigur – obwohl mir Haus und Konto genauso gehören.»
* Name von der Redaktion geändert.








